Gerhard Wehr (1931–2015)

THEOLOGIA DEUTSCH

Aus der Fülle der Zeugnisse deutscher
Mystik ragt diese anonyme Schrift des
späten 14. Jahrhunderts in einer einzigartigen
Weise hervor. Der Text selbst ist seit der
Frühzeit der Reformation unter
verschiedenen Titeln in zahlreichen Auflagen und
ersetzungen in Umlauf gekommen;
bald als Theologia deutsch, bald als Der
Frankfurter, bald als Theologia Germanica.
Die Schrift will ein »Büchlein vom
vollkommenen Leben« sein, wie es die
Meister christlicher Spiritualität und geistlicher
Ubung, aber auch deren Schüler und
Schülerinnen mit Hingabe praktiziert
haben.

So gesehen, vereinigt es ein Wissen um die
Innenschau, sei es in der Geistesart eines
Meister Eckhart, eines Johannes Tauler
oder eines Heinrich Seuse. Auf einen ein-
fachen Nenner gebracht: THEOLOGIA
DEUTSCH ist eine leicht fafßliche und
doch konzentrierte Anleitung zur Übung
in der Gottesverbundenheit, und zwar auf
dem klassischen Drei-Stufen-Weg der Rei
nigung, der Erleuchtung und der Einung
in der unio mystica.

Kein Geringerer als Martin Luther, der das
Büchlein selbst zweimal herausgegeben
hat (1516 und 1518), urteilt: »Mir ist nach
der Bibel und Sankt Augustin nicht
vorgekommen ein Buch, daraus ich$
mehrerlernt habe. . . Ich danke Gott, daß ich
in deutscher Zunge meinen Gott als höre
und finde, als ich allhier nicht gefunden
habe, weder in lateinischer, griechischer
noch hebräischer Zunge!
Für den ausgesprochen
ökumenisch-überkonfessionellen Charakter spricht die
Tatsache, daß diese Elementarschrift
christlicher Mystik unter anderem von dem
Luther-Kritiker Sebastian Franck ins
Lateinische übersetzt wurde, und daß
meditativ Erfahrene sie schätzten: Lutheraner
wie Jesuiten, Spiritualisten und Pietisten.
Der heutige Leser der THEOLOGIA
DEUTSCH stellt sich damit in eine
lebenige geistige Tradition hinein. Diesem
Zweck einer Vergegenwärtigung möchte
die Einführung von Gerhard Wehr dienen,
der das Buch mit dieser Ausgabe aufs neue
herausbringt.… (más)